Freude über neue Strukturen und Sorge über den Rückzug der Kirche aus der Fläche

Was die Landgemeinden im Kirchenkreis derzeit umtreibt

Was ist in den vergangenen zwei Jahren in den Gemeinden des Evangelischen Kirchenkreises Wesel geschehen? Welche Entwicklungen wurden sichtbar, welche Ereignisse waren bedeutsam und welche Fragen wurden dabei aufgeworfen? Wir zitieren einige interessante Passagen aus den für die kommende Herbstsynode erstellten Gemeindeberichte. In der Regel wurden sie von den diensthabenden Pfarrern im Auftrag des Presbyteriums verfasst.

Michael Binnenhey, Pfarrer in Isselburg und Hueth-Millingen,  über  die Schwierigkeit  „das Wesentliche“ im Blick zu behalten:

Kirche so zu gestalten, dass Menschen gern kommen und das Wesentliche dabei nicht verlorengeht, das ist unsere Hauptzukunftsaufgabe. Auf diesem Weg werden wir noch viele Ideen haben müssen, vieles ausprobieren und sicher auch manches wieder verwerfen. Aber es ist ein notwendiger Weg angesichts all der gesellschaftlichen Veränderungen. Denn eines ist deutlich: Menschen suchen nach Halt und Sinn, sie suchen ihn nur meist nicht mehr in der Kirche.“

Elke Spörkel, Pfarrerin aus Haldern, macht sich Sorgen über die Situation der Landgemeinden:

„Noch ist die Frage offen, in welche Richtung sich unsere Kirche bewegt, ob sie kleinen aber vitalen Gemeinden und dem ländlichen Raum insgesamt eine Chance geben wird oder ob sie die Verhältnisse in den größeren Städten zum Maßstab für gewünschte Veränderungen macht. Die landeskirchliche Tendenz, die Verantwortung den einzelnen Gemeinden immer mehr aus der Hand zu nehmen und sie stattdessen dem Kirchenkreis bzw. der Landeskirche zu übertragen, ist auf diesem Hintergrund zu sehen. Bei den Finanzen steigen die Umlagen und der finanzielle Spielraum der Presbyterien wird geringer. Das Neue Kirchliche Finanzsystem (NKF) unterstützt die Tendenz zur Bürokratisierung."

Auch Erwin Krämer, Pfarrer in Haffen-Mehr-Mehrhoog, kritisiert die kirchliche Bürokratie:

Umso ärgerlicher ist es, dass aufgrund der immensen Kosten von NKF immer weniger Finanzmittel für die eigentliche Gemeindearbeit zur Verfügung stehen. Es bleibt zu fragen, ob die Überordnung der Verwaltung und der EDV (Verwaltungsarbeit muss (?) getan werden, also brauchen wir…) über die Gemeindearbeit (vor Ort gilt: Es gibt weniger Geld, als muss man mit weniger auskommen) dem Grundanliegen unserer Kirche entspricht.

Udo Schmitt, Pfarrer in Wertherbruch und Ringenberg-Dingden, thematisiert den kirchlichen „Rückzug aus der Fläche“:

"Während zeitgleich immer mehr Städter die „Landlust“ abonnieren und vom Landleben träumen, findet de facto ein Abbau von Infrastruktur im ländlichen Raum statt. Um Ärzte, Banken, Schulen zu erreichen, müssen immer längere Strecken zurückgelegt werden. „Und nun auch noch die Kirche“, mögen manche Ringenberger gedacht haben. Ja, es stimmt: Den Rückzug „aus der Fläche“ können auch wir als evangelische Gemeinde nicht stoppen oder umkehren. Aber immerhin: Durch die Initiative des Kirchenkreises wurde gewährleistet, dass es keine Vakanz gab."

Strukturveränderungen haben in den Gemeinden auch  positive Wirkungen, meinen die Pfarrer Stefan Schulz (Hamminkeln) und Christoph Sommer (Brünen) unisono:

Stefan Schulz:Trotz aller strukturellen Veränderungen spürt man, dass die Gemeinde eine hohe Lebendigkeit auszeichnet. Wir sind und bleiben „ecclesia semper reformanda“ und gerade darin lebendig und aktiv."

Christoph Sommer: "Die Kirchengemeinde Brünen wächst mit Kirchengemeinden in der Region Mitte zu einer Gesamtkirchengemeinde zusammen. Der Gottesdienstplan trägt dem nun schon seit knapp zwei Jahren Rechnung. Trotz aller anfänglichen Skepsis trägt die Gemeinde diese Entwicklung mit."

Pfarrer Norbert Stephan aus Rees stellt in seinem Gemeindebericht die diakonische Arbeit der Gemeinde für Flüchtlinge und Angehörige anderer Kulturen heraus:

Um auf die prekäre Situation von Flüchtlingen und Asylbewerbern aufmerksam zu machen, hat die Evangelische Kirchengemeinde Rees im zurückliegenden Jahr mehrmals das Gemeindehaus für Informationsveranstaltungen und Podiumsdiskussionen zur Verfügung gestellt. Öffentliches Interesse wurde dabei besonders durch einige Beiträge von „Attac Niederrhein“, der Initiative „Fremde werden Freunde“ und die Teilnahme von Frau Barbara Hendricks an einer der Veranstaltungen geweckt. Eine folgerichtige Fortsetzung war im September 2014 die Interkulturelle Woche unter dem Motto „Gemeinsamkeiten finden, Unterschiede feiern“, deren Auftaktveranstaltung am 21. September und der Abschlussgottesdienst am 27. September von der Evangelischen  Kirchengemeinde Rees ausgerichtet wurden."

Dieter Hofmann, Pfarrer in Schermbeck, freut sich über die erfolgreiche fünfjährige "Georgs-Initiative" in seiner Gemeinde:

"Während des diesjährigen Reformationsgottesdienstes beendet das Presbyterium offiziell die fünfjährige „Georgs-Initiative“. Unter dieser Bezeichnung, die auf den Namenspatron der Schermbecker Kirche und dessen Mut hinweist, bündelte das Presbyterium mehrere Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Gemeindelebens. Alles begann auf einer Klausur der Gemeindeleitung in Soest im Jahre 2009. Aus vielen Ideen und Bedarfsanalysen wurde schließlich Ziele gefiltert. Insgesamt sollten mehr Menschen die Möglichkeit erhalten, sich nach ihren Interessen ehrenamtlich zu engagieren. Das ist gelungen …"

Auch in Drevenack hat man nach dem Schermbecker Vorbild erfolgreich eine neue Initiaive gestartet, meint Pfarrer Helmut Joppien:

"Dass wir mit der Gründung eines Netzwerkes 50Plus eine gute und richtige Entscheidung für unsere Kirchengemeinde getroffen haben, zeigte uns die Aussage eines Netzwerkers der Kochgruppe: „Es ist schön, seit langer Zeit mal wieder eine Mahlzeit  in einer Gemeinschaft zu essen!“

In Emmerich zieht Pfarrer Dr. Martin Neubauer ein positives Fazit zu den neuen Gottesdienstmodellen am Sonntagabend:

"Der Sonntagsgottesdienst einmal im Monat um 18:00 Uhr hat sich inzwischen bewährt und erfreut sich der Akzeptanz, die wir uns in der Planungsphase erhofft haben. Es haben sich zwei parallele Modelle entwickelt, die von dem jeweiligen Pfarrer/Pfarrerin und ihrem Team vorbereitet werden."

Presbyterin Kuttler aus Flüren stellt die Renovierung der Kirche als wichtiges Ereignis in ihrer Gemeinde heraus:

"Die Christuskirche wurde im Sommer 2013 gründlich saniert, zudem wurde eine neue Mikrofonanlage installiert. Die Gottesdienste fanden während dieser Zeit im Gemeindesaal statt. Am 17.11.2013 wurde in einem Festgottesdienst die Kirche der Gemeinde wieder zur Verfügung gestellt. Jetzt steht noch die Reparatur der Kirchenfenster aus, welche bereits in Auftrag gegeben wurde. Gespendet vom Förderverein Lebendige Gemeinde e.V. wurden neue Tische, die im Gemeindesaal aufgestellt sind."