Aufruf für einen plastikfreien Sonntag am 10. Februar 2019

Aktuelle Informationen von der Plastikkampagne des Kirchenkreises Wesel

Der Ausschuss für Kirchlichen Entwicklungsdienst, Ökumene und Weltmission im Kirchenkreis Wesel hat die Kirchengemeinden aufgerufen, einen plastikfreien Sonntag zu begehen. Dabei sollen die Gemeindemitglieder über die Gefahren eines unkritischen Plastikgebrauchs informiert werden. Termin ist Sonntag, der 10. Februar 2019. Im Gottesdienst, so der Ausschuss, könnten Gemeindegruppen oder Kindertagesstätten vorstellen, was sie zum Thema „Plastik – teuflisch gut“ erarbeitet haben. Ein plastikfreies Kirchcafé wird vorgeschlagen oder ein plastikfrei zubereitetes gemeinsames Mittagessen.

 

Plastik – teuflisch gut

So lautet der Titel einer Kampagne, die der Kirchenkreis Wesel mit seinen Gemeinden und Einrichtungen bis November 2019 durchführt. Sie beruht auf einem Beschluss der Kreissynode – dem obersten Entscheidungsgremium unseres Kirchenkreises, das aus den von den Gemeinden entsandten ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertreter sowie den Pfarrerinnen und Pfarrern besteht. Die Synode verbindet mit der Kampagne folgende Ziele:

  • „Kirchengemeinden und Öffentlichkeit werden über die gesundheitlichen Gefahren des Plastiks für Menschen, Tiere und Pflanzen informiert;

  • Kirchengemeinden und Öffentlichkeit gehen bewusster mit Plastik um und verringern deutlich die Verwendung von Kunststoffmaterialien und die Entstehung von Plastikmüll;

  • der Kirchenkreis unterstützt politische Initiativen, die die Verringerung des Plastikmülls zum Ziel haben.

  • Ehren- und Hauptamtliche aus allen Gemeinden beteiligen sich an der Kampagne…“

     

    Unsere Kultur wäre ohne Kunststoffe nicht mehr funktionsfähig. So hilfreich das Material ist, so gefährlich ist es, wenn wir nicht sorgfältig damit umgehen:

  • Kunststoffe verursachen Krebs und vermindern die Zeugungsfähigkeit bei Männer – um nur zwei krankmachende Folgen des Plastiks zu nennen.

  • Rund 142 Millionen Tonnen Plastik verschmutzen die Meere.

  • Auf 100m Nordseeküste finden sich durchschnittlich 389 Müllteile, knapp 90% sind aus Plastik.

  • 96% der an der Nordsee tot aufgefundenen Eissturmvögel haben Plastikteile im Magen.

  • Besonders gefährlich ist „Mikroplastik“. Das sind Teilchen, die wenige tausendstel Millimeter bis unter fünf Millimeter groß sind. Es findet sich in Pflegemittel, wird beim Waschen aus Fleece-Jacken herausgespült oder entsteht durch die mechanische Auflösung von Plastikmüll in den Meeren. In der Arktis wurden bis zu 12.000 Teilchen pro Liter Meereswasser gefunden!

 

Die Europäische Union hat ein Programm aufgelegt, um Kunststoffe zu vermeiden, besser recyceln zu können und umweltverträglicheres Plastik zu entwickeln. Immerhin: Das Problem ist durch die Politik erkannt. EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans: „Wenn wir nicht die Art und Weise ändern, wie wir Kunststoffe herstellen und verwenden, wird 2050 in unseren Ozeanen mehr Plastik schwimmen als Fische.“

Unsere Art, Plastik zu missbrauchen, tötet Leben. Darum müssen wir handeln: Politik, chemische Industrie, insbesondere die Verpackungsindustrie – und die Verbraucherinnen und Verbraucher.

 

In der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland wird die Bewahrung der Schöpfung als eine ihrer Aufgaben formuliert. Der Kirchenkreis Wesel setzt diese Verantwortung beispielhaft mit dem Thema „Plastik – teuflisch gut“ um. Die Synode hat den Ausschuss für Kirchlichen Entwicklungsdienst, Mission und Ökumene (KED-Ausschuss) mit der Durchführung beauftragt. In den nächsten Monaten organisiert er Veranstaltungen und gibt den Gemeinden Material an die Hand, um damit Aufklärungsarbeit zu leisten und alternatives Handeln zu fördern.

Der endlose Kampf gegen die Vermüllung der Landschaft

In vergangenen Frühling waren, wie schon in den vergangenen Jahren, in den verschiedenen Lokalteilen der Zeitungen der Region ähnliche Aufrufe der Kommunen zu lesen: Bürgerinnen und Bürger, kommt zur gemeinsamen Müllsammelaktion! Ob links oder rechts vom Rhein, ob kleine Gemeinde oder Großstadt: von Alpen bis Wesel, von Xanten bis Moers waren dieses Jahr wieder tausende Menschen freiwillig und unentgeltlich in ihrer Kommune unterwegs, um sie vom herumliegenden Müll zu befreien.

In Wesel fand nach dem Rheinhochwasser im Winter noch eine spezielle Müllsammelaktion im Weseler Lippemündungsraum statt. Die NABU-Kreisgruppe Wesel sammelte mit knapp 30 Helfern Ende Februar vier Anhänger voll Müll: Einwegfeuerzeuge, Grillroste, unzählige Plastikwattestäbchen, Fuß- und Tennisbälle, leere Glasflaschen, Kanister, Autoreifen, Plastikplanen, Styroporstücke, Bauschutt und noch vieles mehr. Der Müll war überwiegend am Spülsaum der Hochwasserkante zu finden. Darunter massenhaft Plastikwattestäbchen, die von vielen Bürgerinnen und Bürgern immer noch über die Toilette entsorgt werden, in den Kläranlagen aber nicht herausgefiltert werden können. So landen Sie in unseren Flüssen und dann an unseren Flussufern.

Bei allen Müllsammelaktionen ist die Palette des gesammelten Mülls groß und bildet alle Bereiche unserer Wegwerfgesellschaft ab. Alte Elektrogeräte, Schuhe, Kleidung und andere Textilien finden sich ebenso wie Verpackungsmüll jeglicher Art. Dazu zählt zunehmend Verpackungsmüll von Fast-Food oder To-go-Getränken. Hierbei handelt es sich in den meisten Fällen um Plastikmüll oder Müll mit Plastikbeschichtungen.  Der kleinteilige gesammelte Müll besteht überwiegend aus Plastik, ist aber meistens so stark verschmutzt, dass eine Trennung des gesammelten Mülls und spätere Wiederverwertung nicht mehr möglich ist. So schadet der achtlos in die Landschaft geworfene Müll der Umwelt gleich zweifach: Er verschmutzt unsere Landschaft und gelangt in die Nahrungskette von Vögeln und Fischen, die den Plastikmüll mit Futter verwechseln und daran zugrunde gehen. Die zuvor erwähnten Plastikwattestäbchen werden z.B. beim Fischfang von Wasservögeln wie Kormoranen, Graureihern oder Gänsesägern oft versehentlich heruntergeschluckt und führen in der Regel zu einem qualvollen Tod der Vögel. Zum zweiten kann er nur noch wie Restmüll verbrannt werden, statt dem Recycling zugeführt zu werden.

Die lange Tradition der meisten kommunalen Müllsammelaktionen verdeutlichen, wie hartnäckig das Problem der Vermüllung unserer Landschaft ist. Eine Besserung ist nicht in Sicht.

Für die Vermüllung öffentlicher Verkehrsflächen und öffentlich genutzter Räume zur Naherholung mit Abfällen aller Art mit meist kleinteiligem Müll gibt es einen Fachbegriff: „Littering“ stammt aus dem englischen Sprachgebrauch. Die Begriffe „Illegale Ablagerung“ oder „Wilder Müll“ beziehen sich hingegen auf großen Abfall, der unrechtmäßig im öffentlichen Raum abgelegt wird. Eine Langzeituntersuchung des Verbands kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) im Zeitraum 2005-2017[1] zeigt, dass das Entsorgen von Take-away-Verpackungen im öffentlichen Raum in den letzten acht Jahren deutlich zugenommen hat. Der Anteil von Take-away-Verpackungen am Müllaufkommen im öffentlichen Raum ist von 6 Prozent auf 20 Prozent gestiegen. Die Hauptverursachergruppe sind junge Erwachsene im Alter von 18-30 Jahren und über 50-Jährige. Die Gründe sind laut der Studie in den meisten Fällen Bequemlichkeit, Faulheit oder fehlende Erziehung. Auch situationsbezogene Gründe, wie überfüllte Papierkörbe oder nicht sichtbare Papierkörbe, können eine Rolle spielen.

Dabei finden sich inzwischen fast überall in geringer Entfernung Papierkörbe, die gut sichtbar aufgestellt sind. Überfüllte Papierkörbe können den städtischen Entsorgungsbetrieben gemeldet werden. Schließlich ist die Annahme von großteiligem Müll in den meisten an den Entsorgungsbetrieben kostenlos. Die Bequemlichkeit oder Gedankenlosigkeit Einzelner fängt mit regelmäßigen Müllsammelaktionen schließlich die engagierte Bürgerschaft auf. Dabei könnte gerade bei diesem Problem jeder individuell einen Beitrag leisten, um gar nicht erst so viel Müll in unserer Landschaft zuhinterlassen.

 

[1] Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VkU) (2018): Wahrnehmung von Littering und Sauberkeit und Ursachen von Littering – Eine Langzeitstudie 2005-2017. https://www.vku.de/fileadmin/user_upload/Verbandsseite/Presse/Pressemitteilungen/VKU_Broschuere_Littering_Studie_Humboldt_Uni.pdf

 

Plastik in den Weltmeeren

 

Dieses Jahr war ich mit meiner Familie im Urlaub in Ghana, wo unsere Tochter das vergangene Jahr einen Freiwilligendienst geleistet hat. Einige Tage haben wir an einem besonders schönen Ort verbracht: in Ada Foah, wo der große Fluss Volta in den Atlantik fließt. Ein schöner Sandstrand lädt zum Schwimmen ein. Beim Hineingehen ins Wasser liefen wir über viele schwarze Flecken auf dem Meeresboden. Algen? Nein! Plastiktüten! Die schwarzen „Hemdchentüten“, die überall im Lande verwendet werden.
Später entdeckten wir, dass direkt am Strand neben der Mündung große Mengen Müll liegen, vor allem Plastiktüten und -flaschen. Genauso sähe auch der Strand unseres Hotels aus, wenn er nicht jede Woche gereinigt würde. Nach der Reinigung stellt sich aber die Frage: Wohin mit dem Müll? Eine Müllabfuhr gibt es in Ghana nur in den großen Städten, aber nicht auf dem Land und auch nicht an der Küste von Ada Foah. Deshalb werden jede Woche zwei große Löcher in den Sand gebuddelt, der Müll dort hineingetan, ein großes Palmblatt oben drauf und das Loch wieder verschlossen. An anderen Orten in Ghana wird der Müll in der Regel verbrannt oder über einen Fluss entsorgt, der wiederum ins Meer mündet.

Kunststoff, der einmal im Meer ist, verschwindet daraus nicht mehr. Plastik ist teuflisch, weil er so lange haltbar ist: eine Plastiktüte: 50-60 Jahre - eine Plastikflasche: 450 Jahre - und ein Fischernetz aus Nylonschnüren: bis zu 650 Jahre! Irgendwann zerfällt der Kunststoff in immer kleinere Teile und sinkt schließlich als Mikroplastik auf den Meeresboden. 70% des Plastikmülls in den Weltmeeren befindet sich am Meeresboden, 15% wird an die Strände gespült und 15% kreiselt in sechs riesigen Strömungswirbeln in den Weltmeeren. Der größte im Nordatlantik ist so groß wie Zentraleuropa. Und jährlich kommen acht bis zwölf Millionen Tonnen Müll hinzu, das ist jede Minute ein ganzer Laster voller Plastikmüll!

Plastik gefährdet unsere Meerestiere und auch uns selbst. Große Wale verirren sich unter dem Plastikmüllteppich, Fische oder Robben verfangen sich in „Geister-netzen“ und Mikroplastik wird von Meerestieren mit Nahrung verwechselt: Schildkröten, Wale, Fische und Seevögel fressen Plastikteilchen statt Plankton und verhungern mit vollem Magen. Schluss-endlich landet der Plastikmüll wiederum als Essen bei uns auf dem Teller.

Aber woher kommt der ganze Müll? 80% des Kunststoffes in den Weltmeeren wird als Hausmüll über Flüsse in die Meere entsorgt, besonders von Ländern, in denen die Abfallentsorgung nicht so geregelt ist wie bei uns. Die Länder mit der größten Verschmutzung liegen in Südostasien. Aber auch wir sind Mitverursacher: wenn wir Kosmetikprodukte oder Shampoos benutzen oder wenn wir Kleidung aus Kunstfaser waschen, geraten jedes Mal Mikroplastikteilchen ins Grundwasser.
Das kann so nicht weitergehen! - Sonst gibt es im Jahr 2050 mehr Plastik in den Weltmeeren als Fische. Weltweit ist es dringend erforderlich, die Massenproduktion und den verschwenderischen Umgang mit Plastik zu ändern sowie den Müll besser zu entsorgen. Aber wie? Was gibt es für Ideen und Vorschläge?

 

Pfarrerin Martje Mechels, Gemeindedienst für Mission und Ökumene (GMÖ)