Was sind uns unsere Kinder wert?

Lebhafte Diskussion mit Politikern, Erzieherinnen und Eltern um das Kinderbildungsgesetz beim Kitatalk im Lutherhaus

Zum ersten Mal wurde zu einem Kitatalk am 6. Mai ins Weseler Lutherhaus eingeladen und das Interesse war groß. Anlass war die Neufassung des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz). „Das Plus im Veranstaltungstitel deutet es an, da darf noch einiges verbessert werden“, so Heike Kohlhase, Abteilungsleiterin für Kinder und Familien im Diakonischen Werk Wesel .Sie übernahm auch die Moderation des Abends.

Eigentlich ist es paradox: Wenn Kinder wirklich als unsere Zukunft gesehen würden, hätte der Abend im Lutherhaus Wesel nicht stattfinden brauchen. „Wir sind viel zu lieb und lassen alles mit uns machen, anders als etwa Piloten“, lautete eine viel beklatschte Meinung am Ende. So manche Erzieherin geht aufgrund der Arbeitsbelastung auf dem Zahnfleisch, Kitaleitungen wissen nicht, wie sie im laufenden Betrieb Krankheitsfälle und Fortbildungen auffangen sollen. „Träger fragen sich, wie sie gleichbleibende Qualität gewährleisten sollen, ohne jegliche finanzielle Planungssicherheit“, fragte auch Pfarrerin Eva Holthuis (Wesel) in die Runde. Denn eines ist zum Beispiel auch Eltern nicht immer klar: Ein Kind braucht Kontinuität im Alltag.

Das Buchungsverhalten mancher Eltern lässt jedoch eher vermuten, das Kind und die Kita sollen sich an die Arbeitssituation der Eltern anpassen. Diese Flexibilität kann und will jedoch keine Kita leisten. Ständige Schuldgefühle plagen die Erzieherinnen, die für Gespräche mit den Eltern nicht so viel Zeit haben, wie es notwendig wäre. „Abrechenbare Bildungszeiten erfassen eben nicht Gespräche zwischendurch und nicht das Vor- und Nachbereiten der Arbeit“, so Sabine Ziehm, Kitaleiterin am Lauerhaas in Wesel. „Ich möchte, dass mein Kind bestmöglich betreut, gefördert und gefordert wird“, entgegnete Nicole Prause als Elternvertreterin nachvollziehbar. Und sie erwarte, dass das Land dafür einfach ausreichende Finanzmittel zur Verfügung stellt. Zwar ist die Inklusionsthematik nicht zentrales KiBiz-Thema, aber eine weitere Baustelle. „Der Umbau der bisher erfolgreichen integrativen Gruppen geschieht in ein noch nicht ausgereiftes Inklusionsmodell“, kritisierte Katrin Blume, Leiterin der integrativen Kita in Büderich, die vielen Unsicherheiten.

Wenn nicht viele Kommunen bereits freiwillige Beträge zur Unterstützung der Arbeit leisten würden, wäre die Situation an vielen Stellen noch prekärer. Die Ev. Kirche im Rheinland forderte jüngst, für alle Kitas einen Trägereigenanteil von neun Prozent zu verwirklichen. Aktuell zahlen Kirchengemeinden als „reiche Träger“ mindestens 12 Prozent.  Britta Altenkamp, stellvertretende Vorsitzende der SPD in NRW und selbst Vorsitzende eines Kitaträgervereins hofft, dass sie auch mit Hilfe der Kommunen die Schere zwischen den tatsächlichen Kostensteigerungen und den geplanten Erhöhungen der Kindpauschalen bis 2017 in den Griff bekommt. „Die Kommunen wissen, dass ein Aufgeben vieler Träger im Endeffekt teurer käme“, so die Landespolitikerin. Norbert Meesters, ebenfalls für die SPD im Landtag NRW, konnte Heike Kohlhase und die Kitaleiterinnenrunde zu der gut besuchten Veranstaltung nur beglückwünschen. Er möchte sicherstellen, dass die rund zwei Millarden die jährlich investiert werden, auch an den richtigen Stellen ankommen. Was die anwesenden Politiker aus Kommune Kreis und Land vom KitaTalk in die kommenden Beratungen mitnehmen wird abzuwarten sein, was für die Kinder  als zukünftige Wähler dabei herausspringt, auch.

Renate Ruschmeier, Kitaleiterin aus Kevelaer verlieh gesammelten Forderungen von ihren Kindern Aufmerksamkeit: jeden Tag auf nackten Füßen laufen, rutschen, mit Erzieherinnen spielen, weniger Kinder in einer Gruppe, ein eigenes Freibad und Mitsprache bei der Essensauswahl.    

S. Schmelting (Kirchenkreis Kleve)